Münsterland Zeitung 11.07.2020 von Stefan Grothues
Geschrieben von Burkhard Kirchhoff   
Sunday, 02. August 2020

Wie das Virus in Stadtlohn einen fast 100-jährigen Chor verstummen lässt

Stadtlohn. Chorgesang ist gefährlich. 98 Jahre lang war dieser Satz für den Stadtlohner Männerchor undenkbar. In Coronazeiten ist alles anders. Das Virus hat die Sänger jetzt komplett ausgebremst.

Von Stefan Grothues

Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder“, sagt der Volksmund. Doch zurzeit wäre der Stadtlohner Männerchor wohl potenziell eine gefährliche Vereinigung – wenn er denn sänge. In Coronazeiten bergen die Aerosole in der Atemluft ein großes Ansteckungsrisiko. Chorproben haben sich andernorts als Hotspot für die Verbreitung des Virus herausgestellt.

Der Männerchor hat die Notbremse gezogen. Seit fast 17 Wochen hat er nicht mehr geprobt. Seither spüren die 54 Sänger schmerzlich, was sie längst wussten: Chorsingen ist mehr als Musik. Es bedeutet auch Zusammenkommen und Gemeinschaft.

 

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Chorvorsitzender Burkhard Kirchhoff zeigt auf dem Tablet die von ihm programmierte Internetseite mit Online-Übungseinheiten für die Sänger des Männerchores. Im Hintergrund Gerd Schlettert, Norbert Nienhaus, Dieter Möllers und Alfons Litmeier. Foto: Grothues


Chorgesang erweitert den Horizont

Dieter Möllers schätzt diese Gemeinschaft schon seit 20 Jahren. Und er freut sich an jedem Mittwoch auf die Probe. „Weil ich dort andere Horizonte erlebe“, sagt der Ingenieur. Und das meint der Sänger im zweiten Bass nicht nur musikalisch. „Ich schätze die Gespräche mit den Menschen aus unterschiedlichsten Berufen. Im Chor sind Handwerker, Programmierer, Landwirte.“ Am 11. März hat sich der Männerchor zum vorerst letzten Mal im Josef-Albers-Saal der Marienschule getroffen. „Es war wie immer“, sagt der Vorsitzende Burkhard Kirchhoff. Damals habe ja noch keiner die liederlose Zeit vorhergesehen. Chorleiter Peter Heinrich stimmte den Chor mit Atemübungen auf die Probe ein. „Nach einer Viertelstunde ist der Stress des Alltags immer vergessen“, sagt Norbert Nienhaus, zweiter Tenor.

Neuer Schwung mit neuem Dirigenten

Nach den Auflockerungsübungen probte der Chor die deutsche Version von Louis Armstrongs „What a wonderful World“. Dirigent Peter Heinrich verlangte wie immer höchste Konzentration. „Wir Sänger haben während der Probe keine Chance, uns mit etwas anderem zu beschäftigten“, sagt Dieter Möllers lachend. Sein Sangesbruder Gerd Schlettert, ebenfalls zweiter Bass, nickt. Der neue Dirigent Peter Heinrich, der früher an den Städtischen Bühnen in Münster arbeitete, habe neuen Schwung in die Proben gebracht. Schlettert: „Wir werden richtig gefordert. Aber ich mag diese geistige Herausforderung.“

Und wie jeden Mittwoch leitete das Schlusslied „Ihr Freunde, eh wir auseinandergehn“ zum geselligen Abschluss im Vereinslokal Schlüter über. Der gehört fest zum Chorleben wie die Fahrradausflüge, der Chorfamilientag, die Fahrten, an denen die auch die Frauen der Sänger teilnehmen. „Die Probenarbeit und die Harmonie der Stimmen, das schweißt uns als Gemeinschaft so richtig zusammen“, sagt Gerd Schlettert.

„Wollen unbedingt den 100. Geburtstag erreichen“

Das ist nun schon seit 98 Jahren so. 2022 feiert der Stadtlohner Männerchor seinen 100. Geburtstag. „Den wollen wir auch unbedingt erreichen“, sagt der Vorsitzende Burkhard Kirchhoff, der sich als Sänger im zweiten Tenor einreiht. Eigentlich ist er auch optimistisch. Anders als andere Männerchöre sind die jüngsten Sänger erst 35 und 45 Jahre alt. Der älteste aktive Sänger ist aber schon 87. Und ein nicht geringer Teil der Sänger gehört zur Corona-Risikogruppe der über 60-Jährigen. Auf absehbare Zeit wird es keine Proben geben, das Sommerkonzert ist abgesagt, das vorweihnachtliche Quempassingen ist mit einem großen Fragezeichen versehen. „Wir sind alle sehr, sehr traurig. Der Probenmittwoch ist ja für viele schon lebenslang ein fester Termin“, sagt Dieter Möllers

Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken hat der Vorstand alle Sänger persönlich besucht und ihnen ein „Chor(ona)“-Fotobuch überreicht. Und für das stimmliche Training hat der Vorsitzende ein Computerprogramm geschrieben, mit dem die Sänger die Lieder in ihrer jeweiligen Stimmlage individuell proben können.

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Der Vorstand des Männerchores hat ein "Chor(ona)"-Buch an die Sänger verteilt, um die Chorbindungen in der probenlosen Zeit zu festigen. Foto: privat

 Das Online-Programm könnte auch eine Einstiegsmöglichkeit für neue Sänger sein, meint Burghard Kirchhoff. Wer sich für den Männerchor Stadtlohn interessiert, erfährt Näheres direkt beim Vorsitzenden unter Tel. (0172) 9317781 oder per E-Mail an Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, Sie müssen Javascript aktivieren, damit Sie es sehen können .

Letzte Aktualisierung ( Sunday, 02. August 2020 )